Das barocke Wohngebäude am Alten Steinweg 11 in der Hamburger Neustadt hat eine bewegte Geschichte, die als beispielhaft für bürgerschaftliches und politisches Engagement für die Hamburger Baukultur bezeichnet werden kann: Noch in den 1980er Jahren wollte die Stadt Hamburg den Paradieshof auf Abriss verkaufen, wurde jedoch durch einen breiten gesellschaftlichen Protest und eine Besetzung von Studierenden gemeinsam mit dem Denkmalverein davon abgehalten. Da die Rettung des Paradieshofes auch eng mit unserer Vereinsgeschichte verbunden ist, widmen wir ihr hier einen besonders ausführlichen Artikel, für den auch mehrere Zeitzeugen befragt wurden.

Baugeschichte

Der barocke Paradieshof wurde bereits 1761 errichtet und zählt zu den letzten Zeugnissen vorindustriellen Mehrfamilien-Wohnungsbaus in der Hansestadt. Während die Fassade aus rotem Backstein gemauert ist, ist das Innere als Fachwerk ausgeführt. Charakteristisch sind die beiden reich geschmückten Giebel an der Nordfassade. 1945 zerstörten Bomben einen Teil der Giebel und einen großen Teil der Hofbebauung, woraufhin die Giebelreste aus Sicherheitsgründen ganz abgetragen und erst in den 1990er Jahren rekonstruiert wurden.

Ausschnitt Artikel MOPO, 06.05.1989; Foto: MOPO

Abriss- und Verkaufsplanungen

Anfang der 1980er Jahre entwickelte die Stadt Hamburg den Sanierungsplan Neustadt S-2 und kaufte den Paradieshof, der nicht im Erhaltungskonzept berücksichtigt war, aus Privatbesitz an. Das städtische Wohnungsunternehmen SAGA kündigte Abriss und Verkauf an und stellte im Mai 1984 einen Abbruchantrag. In einem Gutachten des Denkmalschutzamtes im Juli 1984 legte jedoch Jörg Haspel (der spätere Leiter des Berliner Denkmalschutzamtes) den Denkmalwert des Gebäudes dar: Der Paradieshof sei denkmalwürdig aus historischen Gründen als seltenes Beispiel des vorindustriellen Geschossmietshausbaus und aus künstlerischen Gründen als einer der letzten erhaltenen profanen Barockbauten der Hansestadt.

Erst ein Artikel in der ZEIT mit dem Titel "Original und Fälschung" von Manfred Sack brachte das Thema Paradieshof und generell den Umgang mit historischer Substanz in der Innenstadt in die breite Öffentlichkeit. Weitere Medien begannen, die Stadtöffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren. Die Debatte kam auch bei der Baubehörde an, die am 15. August 1986 einen mit 100.000 DM dotierten Wettbewerb zur Zukunft des Gebäudes auslobte. Von den acht Beiträgen setze sich nur einer mit der vollständigen Sanierung des Hauses auseinander, die restlichen Entwürfe - wie auch der Siegerentwurf - begnügten sich mit einem Erhalt der Fassade, hinter der alles neu gebaut werden sollte. Wenige Tage nach Bekanntgabe der Wettbewerbsergebnisse gründete sich die "Initiative Paradieshof" mit rund 40 Studenten aus den Fachrichtungen Kunstgeschichte, Architektur und Geschichte und reagierten mit einem Offenen Brief an den damaligen Ersten Bürgermeister Klaus Dohnanyi (SPD).

Foto aus dem Artikel der taz 06.05.1989, Foto: taz

Der Konflikt, der in einer Regierungskrise endete

Zunächst blieb es verhältnismäßig ruhig um den Paradieshof, denn das Thema der Hausbesetzungen in der Hafenstraße dominierten damals das politische und gesellschaftliche Geschehen in Hamburg. Der Erste Bürgermeister Dohnanyi, der in der SPD/FDP-Koalition mit Kultursenator Ingo von Münch (FDP) gegen seine eigene Parteilinie die Tolerierung der Hausbesetzungen durchsetzte, musste am 08. Juni 1988 von seinem Amt zurücktreten. Seinen Posten übernahm Henning Voscherau (SPD). Auch an den neuen Bürgermeister schrieb die "Initiative Paradieshof" einen Offenen Brief, der jedoch wie der an seinen Vorgänger unbeantwortet blieb.

Im Sommer 1988 beschloss der Hamburger Senat in Abwesenheit des Kultursenators von Münch den Verkauf des Paradieshofes an das Versicherungsunternehmen "Deutscher Ring", der das Haus abreißen wollte. Die Presse berichtete ausführlich - wobei sicherlich auch das Sommerloch hilfreich war - und kritisierte die städtische Entscheidung. Der Kultursenator setzte sich daraufhin mit der Geschäftsführung des Deutschen Rings zusammen und konnte auf ausführliche Gutachten zur Bauphysik und Statik verweisen, die die Sanierungsfähigkeit bestätigten.

Die Initiative Paradieshof hatte inzwischen schon großen gesellschaftlichen Zulauf bekommen und wurde erneut aktiv: Vertreterinnen und Vertreter der Universität Hamburg, der Hochschule für Bildende Künste, der Architekturfakultät der FH Hamburg, des Museums für Hamburgische Geschichte, der Patriotischen Gesellschaft, des Denkmalrates, Abgeordnete unterschiedlicher Parteien und nicht zuletzt der Denkmalverein mit seinem damaligen Vorsitzenden Herbert Westerich wandten sich an den Kaufinteressenten und baten ihn, seine Verantwortung für die Geschichte wahrzunehmen und auch in seinem eigenen Interesse den Image-Schaden zu vermeiden, der mit einem Abriss einhergehen würde.

Der Kontakt zum Deutschen Ring führte zu einem Gespräch am 06. Januar 1989, wo der Deutsche Ring mit den Erhaltungsbefürwortern zusammenkam. Die Versicherungsgesellschaft legte dar, dass sie als gemeinnütziges Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtet sei, eine Mindestrendite bei Anlageobjekten zu erwirtschaften, und dass sie daher den Paradieshof nicht sanieren könne. In den folgenden Wochen erfuhr die Initiative vom Investitionsinteresse des "Bauvereins zu Hamburg AG", der interessiert an einem Erwerb des Hauses und der vollständigen Sanierung war. Am 13. Februar 1989 initiierte die Kulturbehörde eine Pressekonferenz gemeinsam mit der Studenteninitiative Paradieshof und dem Denkmalverein, die einen Gegenentwurf des Bauvereins mit Kostenschätzung beinhaltete. Trotz der Pressekonferenz fand keine Verhandlung zwischen der Liegenschaftsverwaltung und dem Bauverein statt, daher stimmte die Kommission für Bodenordnung einem Verkauf des Objektes an den Deutschen Ring zu. Laut Liegenschaftsverwaltung sah das Angebot des Bauvereins einen städtischen Zuschuss in Höhe von 2 Millionen DM vor. Der Bauverein streitet dies ab und sagt, es habe bis zu diesem Zeitpunkt nie eine Verhandlung zwischen den beiden Parteien gegeben.

In einer Senatssitzung am 18. April 1989 entstand eine Koalitionskrise zwischen SPD und FDP, als der mehrheitlich SPD-geführte Senat das Erhaltungskonzept des Kultursenators Ingo von Münch (FDP) ausschlug. Der Landesparteitag der FDP stärkte von Münch den Rücken, die Oppositionsparteien GAL und CDU übten starke Kritik an der Landesregierung, und das Thema Paradieshof wurde fester Bestandteil des Koalitionsausschusses. "Was soll ich noch in diesem Senat?" fragte Ingo von Münch im Interview mit dem Hamburger Abendblatt am 19. April 1989. Die Presse berichtete ausführlich, und der Kunstgeschichtsprofessor Hermann Hipp nannte in der Ausgabe der ZEIT vom 28. April 1989 den Entschluss des Bausenators Eugen Wagner "eine grobe Missachtung des in zahllosen Apellen, Initiativen und Erhaltungskonzepten artikulierten Willens der Bevölkerung". Selbst der Deutsche Ring kündigte schließlich an, dem Bauverein den Vortritt zu lassen, wenn es denn der Kulturgeschichte Hamburgs dienen würde.

Auschnitt aus dem Artikel der Hamburger Rundschau, 11.05.1989; Foto: Hamburger Rundschau

Hausbesetzung als letzte Karte der Abrissgegner

Das Festhalten der Baubehörde an den Verkaufsabsichten und die Überstimmung des Kultursenators brachte die Initiative dazu, am 21. April 1989 erneut einen Brief mit einer letzten Mahnung an den Ersten Bürgermeister Voscherau zu schreiben. Wieder blieb der Brief unbeantwortet, und das brachte das Fass zum Überlaufen. Die Studenteninitiative um Reinhard Jung und Christoph Mühlhans planten mit akribischer Genauigkeit die Hausbesetzung des Paradieshofes. In den Morgenstunden von Freitag, dem 05. Mai 1989 parkte die Initiative ein Auto mit Material für die Besetzung vor dem Paradieshof, gegen 11:15 Uhr wurden die Ketten des Paradieshofes mit Bolzenschneidern geöffnet und 25 Studierende drangen ins Gebäudeinnere.

Die Studierende hissten Hamburg-Flaggen aus den Fenstern, ein großes Transparent mit der Aufschrift "Denkmalschutz statt Abrissbagger" hing über dem Gebäudeeingang und über Lautsprecher schallten die barocken Klänge der Wassermusik Georg Friedrich Händels. "Wir warnen den Betonsenator: Kampf bis zum letzten Balken" schallte es durch den alten Steinweg. Die Presse, die kurz nach der Besetzung über das Geschehen informiert wurde, war sofort zur Stelle. Der NDR unterbrach sein Fernsehprogramm und berichtete um 13:05 Uhr, wie die Besetzung zu dem Zeitpunkt verlaufen ist: "sehr friedlich und auch sehr lustig, weil nämlich die jungen Leute, [...] zusammen mit dem Verein Freunde der Denkmalpflege [heute Denkmalverein] hier mit Hamburg-Flaggen und klassischer Musik das Haus ganz offiziell geöffnet haben [...] und inzwischen hier aus den Fenstern gucken und die Leute, die hier vorbeischauen, mit Flugblättern über die Geschichte des Hauses versorgen. Die Polizei war dann relativ schnell zur Stelle und hat sich nach einigem Hin- und Her darauf eingelassen, dass also die jungen Leute erst in dem Haus bleiben, weil sie sich gesagt haben: Die wollen das ja nicht für sich besetzten, sondern eben als Kulturdenkmal der Stadt erhalten. [...]"

Die Angst vor einer gewaltvollen Auseinandersetzung wie in der Hafenstraße und am kleinen Schäferkamp führte die Polizei dazu, eine Abmachung mit der Initiative einzugehen: Die Hausbesetzung würde bis zum Freitagabend geduldet, damit die Initiative die gewünschte Aufmerksamkeit bekommt, sie müsste aber um 18:00 Uhr die "Unterschutz-Besetzung" beenden und das Haus wieder verlassen. Die Bilder in der Presse vom besetzen Haus spielten den Abrissgegnern in die Hände, der Druck auf den Bausenator Wagner und auf den Deutschen Ring wuchs und führte am 19. Mai 1989 zur Entscheidung des Versicherungsunternehmens, von den Kaufabsichten zurückzutreten.

Verkauf des Paradieshofes und Restaurierung

Zu den Abrissgegner gesellten sich schließlich auch die Vorstände der Jusos, der Jungen Union, der Jungen Liberalen und die Alternative Jugendinitiative. Eine Unterschriftenliste unter dem Titel "Sozialdemokraten für den Paradieshof" übte neuen Druck auf den Senat aus, die Entscheidung zu überdenken, und am 06. Juni wurde tatsächlich der Verkaufs-Beschluss aufgehoben. Die Kaufinteressenten wurden erneut angeschrieben und darum gebeten, neue Konzepte vorzulegen, die die Sanierung des Paradieshofes vorsehen. Am 16. Oktober bekam die Wohnungsbaugesellschaft Bauverein zu Hamburg den Zuschlag für den Kauf des Gebäudes. 1990 bis 1992 ließ sie ihn von dem Architekten Siegfried Pollex in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutzamt sanieren. Beim Richtfest sprach die WELT von einer "glücklichen Fügung für das historische Gemäuer" und "einem Geschenk des Bauvereins an die Stadt".

Kurioserweise befindet sich ebenfalls in der Hamburger Neustadt eine Replik des Paradieshofes. Sie wurde bis 1982 von der Alfred-Toepfer-Stiftung in der Neanderstraße erbaut, als die Absichten des Senats zum Abriss des Paradieshofes bekannt wurden. Der Neubau des Paradieshofes in der Neanderstraße weist jedoch deutliche Unterschiede zum Original auf: So wurde zum Beispiel das Erdgeschoss nicht wie beim Original durch Farbe und Material von den übrigen Geschossen abgesetzt, sondern ebenfalls in rotem Mauerwerk ausgeführt. Heute besitzt vermutlich selbst diese Replik Denkmalwert, weil sie gemeinsam mit den benachbarten Rekonstruktionen barocker Bürgerhäuser dokumentiert, wie sich die Stadtgesellschaft nach den abrissfreudigen Nachkriegsjahren wieder auf historische Stadtbilder besonnen hat.

Der erfolgreiche Kampf um den Paradieshofes weist deutliche Parallelen zur späteren Rettung des Gängeviertels im Jahr 2009 auf: Ein bedeutsames, aber baulich vernachlässigtes Stück Stadtgeschichte, eine Regierung, die es auf Abriss verkaufen möchte, ein breites gesellschaftliches Bündnis für den Erhalt und eine medial sehr wirksame und kulturell inspirierte Besetzungsaktion, die zum Wendepunkt der Debatte und damit schließlich zum Erfolg führt. Beide Beispiele zeigen, wie wirkungsvoll sich Bürgerinnen und Bürger für den Erhalt von historischer Baukultur und Stadtentwicklung engagieren können, und machen damit Mut für die Zukunft.

Historische Fotos: Staatsarchiv Hamburg, Willy Beutler (Signaturen 720-1/343-1/00017337 und 720-1/343-1/00008780)
Historische Zeitungsartikel: Hamburger Rundschau; Hamburger Morgenpost; TAZ;
Aktuelle Fotos (2020): Antipas Papageorgiou