2019

In unmittelbarer Nähe zur Großsiedlung Osdorfer Born wurde ab dem Jahr 1974 die damalige "Doppelschule Lurup 17" errichtet. Die Chance, in jüngster Zeit noch einmal seine Qualitäten der flexiblen Anpassbarkeit unter Beweis zu stellen, blieb ihm verwehrt: Obwohl das Gebäude bereits unter Denkmalschutz stand, beschloss der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg im Jahr 2013 den schrittweisen Abriss des Gebäudes. Bis zum Jahr 2021 wurde es durch einen Schulneubau ersetzt.

Mit dem Abschluss der Arbeiten am zweiten Bauabschnitt war die Schule 1978 zwar für den Moment fertiggestellt, zukünftige Veränderungen des Bauwerks waren jedoch bereits antizipiert und im Entwurf angelegt. Vor dem Hintergrund anstehender Reformen im Hamburger Schulsystem hatte man in der Entwurfsphase besonderen Wert auf die Entwicklung eines Bausystems gelegt, das eine flexible Anpassung an kommende Bedarfe zulassen würde.

Während die in den 1950er und -60er Jahren entstandenen Schulen in Systembauweise seriell errichtet wurden, wählte man für die "Doppelschule Lurup 17" eine Einzellösung mit gestalterisch ausgefeilten Details. Die renommierte Rotterdamer Architektengemeinschaft van den Broek en Bakema war zusammen mit dem in Hamburg ansässigen Architekten Joseph Weber mit der Planung und Bauleitung betraut.

Der aus dieser Zusammenarbeit hervorgehende weitläufige zweigeschossige Gebäudekomplex zeichnete sich durch einen im Bereich der Unterrichtsräume flexibel veränderbaren Grundriss aus. Dies wurde durch ein tragendes Stahlbetonskelett erreicht, das statisch unabhängig von den grundrissbildenden Wandpaneelen war. Die einzelnen architektonischen Elemente waren ablesbar und ihre Gesamtheit präsentierte sich als intuitiv nachvollziehbare Konstruktion. In Kombination mit inszenierten technischen Anlagen, einem der Orientierung dienenden Farbkonzept und dem für die 1970er-Jahre typischen Motiv abgerundeter Ecken ergab sich eine funktionale Ästhetik.

Darüber hinaus bestach der Entwurf durch die vorgesehene Einbettung der Schule in den städtebaulichen Kontext. Eine Fußgängerbrücke auf Höhe des ersten Obergeschosses sollte die Anbindung zur umgebenden Wohnbebauung herstellen. Die als ‚Schulzentrum‘ geplante ‚Doppelschule Lurup 17‘ mitsamt der ihr angegliederten sozialen Einrichtungen sollte den gesellschaftlichen Mittelpunkt des Viertels bilden. Die städtebauliche Konzeption wurde nie dem Entwurf entsprechend realisiert; die Auflagerpunkte für die Fußgängerbrücke ragten bis zuletzt aus dem Baukörper heraus und die Erschließung der Schule war durch den entgegen der Planungen im Erdgeschoss eingerichteten Zugang erschwert.

Das Schulgebäude war ein Bauwerk mit Ecken und Kanten, das von visionären Lösungsansätzen auf damals wie heute aktuelle Fragestellungen des Städtebaus und der Umsetzbarkeit von Flexibilität im Schulbau zeugt. Es war ein anschauliches Beispiel für Architektur und Städtebau der 1970er-Jahre und nicht zuletzt deswegen ein Baudenkmal.

Text: Marriet Boutez
Fotos: Marriet Boutez, Kristina Sassenscheidt

Quellen:

  • Architectengemeenschap van den Broek en Bakema: Architektur-Urbanismus. Architekture-Urbanism. Architecture-Urbanisme. Stuttgart 1976.
  • Architekten- und Ingenieursverein Hamburg e.V.; Hamburgische Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe. Patriotische Gesellschaft von 1765: Hamburg und seine Bauten. 1969-1984. Hamburg 1984.
  • Geschwister-Scholl-Stadtteilschule: Archiv für den Monat: August 2019. Grundsteinlegung! Online unter: https://gsst.hamburg.de/2019/08/ (Zugriff 27.11.2019).
  • Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft: Fünfmal Phase Null. Dokumentation der Pilotprojekte „Schulen planen und bauen“. Bonn 2015.
  • Stieger, Petra: Architektonische und Städtebauliche Entwicklung, in: Freie und Hansestadt Hamburg, Kulturbehörde, Denkmalschutzamt (Hg.): Hamburgs öffentliche Gebäude und die Denkmalpflege. Denkmal – Geschichte – Erhaltung. Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Hamburg, Nr. 27/2. Hamburg 2013, 19–38.
  • Weber, Jos; Riekmann, Jürgen: Die Superschule? Von der Gesamtschule zum Bildungszentrum für alle! Düsseldorf 1973.